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Immer wieder diese Neujahrsvorsätze!

Neujahrsgedanken am Wörthersee

Warum tun wir es immer wieder?

Wenn das neue Jahr in seiner vollen Pracht vor uns liegt - wie ein unbeschriebenes Blatt Papier - haben wir das Gefühl, frei und leicht zu sein. Alles ist möglich! Jede erwünschte Veränderung, die bis dato nicht stattgefunden hat, kann das heurige Blatt füllen und dazu führen, dass wir unser Leben bewusst und bereichernd gestalten. Die Hoffnung auf eine positive und selbstgestaltete Zukunft stirbt zuletzt, sie ist unser Lebenselixier! Neujahrsvorsätze sind der Ausdruck von Zuversicht, Hoffnung und Selbstwirksamkeit - dem Gefühl selbst bewegen und bewirken zu können.

 

Nun belegen Studien aber, dass es uns nur in einem sehr kleinen Prozentsatz gelingt, diese Vorsätze sofort und ohne Hürden in die Tat umzusetzen.

 

Warum ist das so?

Wenn wir etwas Neues etablieren wollen, ist das so gut wie immer auch damit verbunden, eine alte und nicht mehr erwünschte Gewohnheit loszulassen (z.B.: mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren, bedeutet automatisch, weniger Lift/Auto fahren, auf der Couch liegen, etc.). Von unserem Gehirn sind also 2 Leistungen zu vollbringen:

  1. Das Erlernen und Einüben einer neuen Gewohnheit.
  2. Das Verlernen der Alten.

Die gute Nachricht zuerst: Unser Gehirn kann schneller Neues erlernen, als alte Muster verlernen. Da die zwei Aufgaben aber unweigerlich miteinander verbunden sind, wird es ein wenig schwieriger. Alles was wir schon lange tun, hat in unserem Gehirn viele Neuronen vernetzt und eine "Neuronenautobahn" gebildet. Diese Autobahn ist sinnvoll und spart Energie. Wir müssen uns also nicht jedes Mal wieder mit bereits Erlerntem und Etabliertem auseinandersetzen. Wir machen die gewohnten Dinge automatisch (z.B.: Gehen, Fahrradfahren, 10-Fingersystem, etc.), ohne Nachzudenken und können dann parallel dazu auch andere Dinge erledigen. Wenn wir also Gewohntes tun, löst das in uns ein Sicherheitsgefühl aus, im Sinne von: alles ist gut, ich bin entspannt, auf mich ist Verlass, mir kann nichts passieren!

 

Verlassen wir dann aber einmal die Autobahn, um Neues zu Erlernen und Einzuüben, muss unser Gehirn 2 Hochleistungen bewältigen. Einerseits müssen wir uns anstrengen und unsere noch nicht verknüpften Neurone bedienen - also einen neuen Pfad in eine unbefleckte Wiese treten. Andererseits müssen wir das gewohnte, automatisierte Terrain hinter uns lassen und das löst Unsicherheit aus. Unser Gehirn meldet -->  Vorsicht, wir könnten uns ja verirren!

 

Das Problem liegt also nicht daran, dass wir nicht mit ausreichendem Willen ausgestattet sind, sondern, dass wir jedes Mal, wenn wir die "Neuronen-achterbahn" verlassen, emotional "ausrutschen". Je nachdem wie automatisiert unsere alte Gewohnheit war, fühlen wir uns dann: unsicher, unrund, nervös, gereizt, ängstlich, einsam, etc.

 

Da uns unser Gehirn schützen will und diesen emotional unbefriedigenden Zustand für uns beseitigen will, schlägt es uns bei jedem Unbehagen Problemlösungsstrategien vor, die es schon kennt und die bis dato funktioniert haben (z.B.: die Tafel Schokolade, die gleich und sofort befriedigt). Die Zukunft ist ja noch nicht verankert. Damit ist die Morgen-Diät geboren!

 

Wenn Veränderung so schwer ist, tun wir es dann überhaupt und ausreichend?

Ja, wir verändern uns laufend, lernen andauernd Neues dazu, sind in Bewegung, verlassen alte Pfade und gehen neue Wege. Genauso wie unsere Hautzellen sich stetig erneuern. Die alten Zellen wandern nach oben, sterben ab und werden abgestoßen, während Neue von unten nach wachsen. Aber nur selten können wir Altes von heute auf morgen und ohne Nebenwirkungen loslassen. Meistens gelingt das nur dann, wenn es mit einschneidenden Erlebnissen verbunden ist. Veränderung ist ein Prozess, der viele Teilprozesse beinhaltet, die wir bewusst und unbewusst er-, verarbeiten. So wie unsere Hautzellen, braucht jeder einzelne Teilprozess, seine eigene Reifungszeit. Wir verändern uns also schrittweise!

 

Macht es dann überhaupt Sinn (Neujahrs)-Vorsätze zu fassen?

Ja, selbstverständlich, nicht nur zu Neujahr, sondern auch an jedem anderen Tag im Jahr! Vorsätze zu fassen, bedeutet, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, zu wissen, oder zu erahnen was einem gut tun würde, nach Lösungen für ein Problem zu suchen, das Gefühl zu haben, nicht ausgeliefert zu sein, sondern die Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Der Vorsatz ist der bewusste Beginn, die Einleitung in meinen Veränderungsprozess.

 

Wie kann ich meinen Veränderungsprozess positiv gestalten?

In unserer Leistungsgesellschaft sind wir es gewohnt, sehr kritisch mit unserem Umfeld aber auch mit uns selbst umzugehen. Gerne legen wir den Fokus auf unsere Fehler, auf  das, was wir noch immer nicht erledigt haben, das was uns misslingt und negativ ist. Selbstgeißelung und eine negative Gedankenspirale sind die Folge. Das erzeugt Druck und Druck - auch wenn wir ihn selbst erzeugen - bewirkt Gegendruck, im Sinne von Widerstand. Die Folge davon ist, dass wir schneller aufgeben, weil´s eh keinen Sinn hat oder sogar dazu, dass wir paradox reagieren (wir tun das Gegenteil von dem, was wir ursprünglich wollten), was zur Verstärkung der alten Muster führt.

 

Was spricht also dagegen, mit unserer vorhandenen Ausstattung zu arbeiten und nicht gegen sie zu rebellieren? Es kann sehr hilfreich sein, die Dinge die uns nicht gelungen sind, einfach nur zu akzeptieren und auch einmal links liegen zu lassen. Die Vergangenheit lässt sich sowieso nicht ändern. Die Fokusverlagerung auf all das, worauf ich stolz bin, was mir bereits gelungen ist, auf die kleinen Schritte, stärkt unser Selbstwirksamkeitsgefühl und macht es möglich eine positive Gedankenspirale entstehen zu lassen. Auf diese lassen sich dann leicht die nächsten kleinen Schritte aufbauen. Die Betonung liegt darauf, die kleinen Etappen zu würdigen.

 

Der Vorsatz - aus der Couch-Potato-Stellung heraus - ab morgen 3 mal die Woche eine Stunde laufen zu gehen, lässt sich kaum unter gehirngerecht verbuchen. Er ist für unser Gehirn - und so ganz nebenbei auch für unsere Muskeln und unser Herz-Kreislaufsystem - schlicht und ergreifend überfordernd. Das Scheitern grinst bereits um die Ecke! Gratulation, wenn es trotzdem gelingt! Sie haben im Lotto gewonnen!

 

Wenn Sie also nicht im Lotto gewonnen haben, beginnen Sie laufend und beständig, die Bewegung in den Alltag einzubauen und koppeln Sie diese am Beginn an schon Etabliertes und Gewohntes, dann können Sie es weniger vergessen und das Unbehagen kann sich weniger ausbreiten (z.B.: Kniebeugen beim Zähneputzen, Gymnastik bei den Nachrichten, etc.). Wenn Sie dann tatsächlich Laufen gehen, gestalten Sie es für sich so angenehm wie möglich: Musik in den Ohren, wohnortnah, gleich nach der Arbeit (niemals zuerst auf die Couch - Sie kommen nie wieder hoch), etc. und rechnen Sie damit, dass Sie bereits vor der vollbrachten Stunde zurückkehren möchten oder müssen. Das macht nichts, aber sie waren draußen, sie haben begonnen. Ist das nicht cool? Bleiben Sie einfach dabei, auch wenn die Couch zwischendurch wieder gewinnt - das alte Muster braucht auch noch Aufmerksamkeit - wissen Sie bereits, dass Sie es erneut können, einfach so und dann vielleicht sogar 10min länger! Veränderung ist ein Reifungsprozess, wir müssen ihm aber die Gelegenheit geben, zu reifen!

 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen gutes Gelingen!

 

"Wir können den Wind nicht ändern,
aber wir können die Segel
richtig setzen".

(Aristoteles)

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